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Klarinette und Violoncello

 

Hindemith

Cage
Hiller

Schnyder

 

Paul Hindemith (1895 - 1963)
"Ludus minor" für Cello und Klarinette, komponiert 1944
FUGA PRIMA EX C
Interludium. Leicht bewegt
FUGA SECUNA EX G
Interludium
FUGA TERTIA EX F


Hindemith spielte - wann immer er Zeit fand - mit Freunden und erlernte das Spiel nicht nur nahezu aller Orchesterinstrumente, sondern auch vieler historischer Instrumente. Vor allem spielte Hindemith auch zusammen mit seiner Frau, die als Sängerin und Cellistin ausgebildet war: in den zwanziger Jahren für die Freunde etwa auf privaten Festen, in den Emigrationszeiten hingegen zur eigenen Zerstreuung. Für dieses Private Musizieren komponierte Hindemith auch zahllose Stücke für oft seltsame Instrumentenkombinationen, die ihm und seiner Frau gerade zugänglich waren. In den zwanziger Jahren entstanden auf diese Weise zahlreiche Parodiestücke in den Emigrationszeiten, vor allem während seiner Jahre in den USA, hingegen Stücke, die eine durchaus ernsthafte musikalische Haltung mit relativ leichter Spielbarkeit verbanden.
Zu diesen Werken zählt der "Ludus Minor" für Cello und Klarinette vom 6. Februar 1944. Hindemith schrieb diesen kleinen Ableger des "Ludus tonalis" für Klavier (1942), mit dem er die Form und die Folge der tonalen Zentren der Stücke gemein hat, für das häusliche Musizieren mit seiner Frau: Sie spielte Cello, er Klarinette. So ließ er dies Werk in der - wie es auf dem Titelblatt heißt - fiktiven "Edition Künstlerheim Inc." erscheinen (damit war ihr eigenes Heim gemeint) und fügte hinzu: "Mit Reverenz für das Cello und den Cellisten".
Das Werk weist insgesamt nur drei Fugen und zwei Interludien auf und ist auch im Manuskript dynamisch und tempomäßig unbezeichnet geblieben. Diese Angaben hätte Hindemith zweifellos nachgetragen, wenn er jemals selbst die Publikation dieser Stücke erwogen hätte. Fraglich bleibt auch, ob Hindemith dann das Stück - analog zum "Ludus tonalis" - mit den Fugen auf allen zwölf Stufen der chromatischen Tonleiter und entsprechenden Interludien zwischen den Fugen ergänzt hätte.

 

John Cage (1912 – 1992)

4’33’’, komponiert 1952 bzw. 1962

Tacet, any instrument or combination of instruments.

I TACET

II TACET

III TACET

 

John Cage wurde am 5. September 1912 in Los Angeles, Kalifornien, geboren und starb am 12. August 1992 in New York. Er studierte Geisteswissenschaften am Pomona College. Zu seinen Kompositionslehrern zählten Henry Cowell und Arnold Schönberg. Cage war gewähltes Mitglied der National Academy und des Institute of Arts and Letters der USA und wurde sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa mit zahllosen Preisen und Ehrungen ausgezeichnet. Er erhielt Kompositionsaufträge von den bedeutendsten Konzertveranstaltern der Welt und nahm bis zuletzt an vielen Veranstaltungen aktiv teil.

Die stimulierende Wirkung, die Cages Werk auf die Musik und Kunst des 20. Jahrhunderts ausübte, und die Folgen seines Schaffens können kaum ermessen, geschweige denn kritisch beurteilt werden. Unbestritten ist, daß die Entwicklungen in der Musik unserer Zeit ohne Berücksichtigung seiner Musik und seiner Ideen nicht verstanden werden können. Die Erfindung des präparierten Klaviers und seine Arbeit mit Schlaginstrumenten führten ihn zur Entdeckung und Erforschung einzigartiger und faszinierender Möglichkeiten, die zeitliche Dimension von Musik zu strukturieren. Er ist allgemein anerkannt als Initiator und führende Figur auf dem Gebiet der indeterminierten Komposition mit Hilfe von Zufallsoperationen. Diese kurzen Notizen mögen ergänzt werden durch ein Zitat von Arnold Schönberg, der über Cage gesagt hat, er sei ein "Erfinder des Schöpferischen".

Da während 4'33'' kein einziger Ton gespielt wird, handelt es sich um ein sehr eigenartiges Musikwerk, welches die Definition der Musik an sich hinterfragt. Als noch zugespitzter kann Cages weniger bekanntes 0'00" gelten, welches nicht einmal mehr in der Zeit, sondern nur noch im Programmheft stattfindet. Seine Aufführung ist nicht mehr wahrnehmbar.

Die gesamte Komposition in drei Sätzen, ohne Noten; alle Anweisungen beschränken sich auf Tacet:

In einer Anmerkung fügt Cage noch hinzu, dass der Titel die Gesamtdauer der Aufführung in Minuten und Sekunden ist, und dass das Werk beliebig lange dauern kann: Sogar der Titel kann also variieren und geht in der bekannten Form lediglich auf die Uraufführung zurück (siehe dort). Außerdem kann das Stück von jeder Anzahl und Kombination von Instrumenten aufgeführt werden.

In den späten 1940er Jahren besuchte John Cage die echofreie Kammer der Universität Harvard. Eine echofreie Kammer ist so konstruiert, dass die Wände, die Decke und der Boden keinerlei Geräusche zurückwerfen; dazu sind solche Räume oft fast vollkommen schalldicht.

Cage betrat den Raum und erwartete, rein gar nichts zu hören – aber er schrieb später:

„Ich hörte zwei Töne, einen hohen und einen tiefen. Als ich dies dem verantwortlichen Ingenieur beschrieb, erklärte er mir, dass der hohe Ton ständig vom Nervensystem erzeugt werde, während der tiefe von der Blutzirkulation stamme.“

Ob diese Erklärung der Tatsache entspricht oder nicht, Cage begab sich an einen Ort, wo er kein Geräusch erwartete – und trotzdem solche hörte.

„Bis ich sterbe, wird es Geräusche geben. Und diese werden meinen Tod überdauern. Man braucht keine Angst um die Zukunft der Musik zu haben.“

Diese Erfahrung führte, zusammen mit vielen weiteren Erfahrungen, u. a. der Beschäftigung mit den Bildern Rauschenbergs, zu 4'33".

 

Wilfried Hiller (*1941)

"Die zerstreute Brillenschlange. Diminuendo für einen Erzähler, einen Klarinettisten und Bordun (Violoncello oder Kontrabass; ersatzweise Orgel oder Harmonium, auch Singstimme)", komponiert 1979

ca. 7'

 

Auf der Bühne befindet sich ein Schlangenkörbchen, in dem die Noten liegen, daneben auf einem Tablett die Klarinette. Hinter dem Körbchen ein Sitzkissen. Der Klarinettist kommt im Gewand eines Schlangenbeschwörers (oder als Fakir verkleidet) auf die Bühne, die Arme hat er über der Brust gekreuzt. Er lässt sich im Schneidersitz auf dem Kissen nieder, nimmt die Klarinette und beginnt magisch beschwörend zu spielen. Alle Bewegungen sind betont langsam. Da das Abschrauben der Klarinettenteile geräuschlos vor sich geht, kann durch das Drehen einer Pfeffermühle (mit möglichst großen Körnern) über Lautsprecher das Fressen der sich selbst verzehrenden Schlange simuliert werden. Der Erzähler sollte wie ein Märchenerzähler aus 1001 Nacht gekleidet sein.

Was wird geschehen, wenn eine sehr hungrige und zugleich sehr kurzsichtige Brillenschlange ihre Brille vergessen hat – die sie ohne Brille ja auch gar nicht finden kann – und auf der Suche nach etwas Fressbarem an ihr eigenes Schwanzende gerät? Hillers „Kurz-Drama” gibt mit bezwingend einfachen musikalischen Mitteln Antwort – und liefert zugleich für den Klarinettisten ein technisch-musikalisch anspruchsvolles Stück, mit dem z.B. bei Spielaktionen oder Theaterfesten ganz neue Wege in der Präsentation dieses Instrumentes begangen werden können.

 

Text von Michael Ende

Es war mal eine ziemlich lange

und eine sehr zerstreute Brillenschlange.
Vor allem war sie - das ist wichtig -

ganz ungewöhnlich stark kurzsichtig.

Als sie mal wieder (was häufiger geschah)

ihre Brille hatte vergessen,

(die sie ohne Brille natürlich nicht sah)

wollte sie trotzdem zu Abend essen.

Sie suchte herum, ob sie etwas fände,

und sie fand 'was:

ihr anderes Ende!

Sie begann's zu verschlingen ganz ungehemmt

es schmeckte ihr delikat

wenn auch fremd.

In der Mitte wurde ihr irgendwie

so sonderbar wie zuvor noch nie,

doch weil wie nun schon mal dabei war, machte sie

sich über den eigenen Kopf auch noch her.

"Heut' Abend wird's aber früh dunkel", dachte sie,

bald danach dachte sie gar nichts mehr.

Erst zum Schluss erwies es sich als vergeblich,

auch die eigenen Zähne noch abzunagen,

und dann blieb ihr nichts mehr übrig (buchstäblich),

als den Verlust ihrer selbst zu beklagen.

Es   w a r   einmal eine ziemlich lange

kund sehr zerstreute Brillenschlange.

Daniel Schnyder (*1961)
"Dolphy's Dance" für Violoncello und Klarinette (bzw. Tuba und Sopransaxofon)

ca. 4'

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